Klassische Musik in Brasilien
Bereits im 17. und 18.Jh. entwickelte sich in Brasilien ein reiches Musikleben. Einen besonderen Schwerpunkt bildete Minas Gerais, eine Region, in der umfangreiche Goldfunde die kulturelle Entwicklung insgesamt begünstigten. In den dortigen Städten lebten damals mehr als tausend Berufsmusiker, unter ihnen auch eine Reihe bedeutender Komponisten wie Joaquim Emérico Lobo de Mesquita (1746-1805), Marcos Coelho Neto (1740-1806), Ignácio Parreira Neves (ca. 1736-1793) und Francisco Gomes da Rocha (?-1808).
Obwohl viele musikalische Schöpfungen der damaligen Zeit verlorengegangen sind, besteht gerade in den letzen Jahren ein wachsendes Interesse an der Wiederaufführung vor allem religiöser Werke. Die Musik ist in der Regel schlicht und ursprünglich, gleichzeitig klangschön und ausdrucksstark.
Im 18. und 19.Jh. konnte Brasilien dann wie kein anderes Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent auf eine blühende musikalische Landschaft verweisen. - Erst zu Beginn des 20.Jh. konnten ihm die USA dank eines ungeheuren wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs und einer Vielzahl von aus Europa stammenden Musikern auch musikalisch den Rang ablaufen -.
Zu Beginn des 19.Jh. verlagerte sich der Schwerpunkt des Musiklebens von Minas nach Rio de Janeiro, gleichzeitig wuchs auch der Einfluss der europäischen Musik. Der bedeutendste Komponist dieser Zeit war José Mauricio Nunes Carcia (1767-1830), aus dessen Feder eine Vielzahl von Kompositionen stammt, unter denen sich wahre Meisterwerke befinden.
Im 19.Jh. studierten die bedeutendsten Komponisten in Europa, unter ihnen Carlos Gomes (1836-1896), der viele Jahre in Italien lebte und dort besonders durch seine Opern sehr bekannt wurde. "O Guarani" und "O Escravo", Opern, in denen typisch brasilianische Protagonisten wie Sklaven und Indios die Hauptrolle spielen, werden noch heute in italienischer Sprache gesungen. Weitere Spätromantiker wie Leopoldo Miguez (1850-1902), Henrique Oswald (1852-1931), Alexandre Levy (1864-1892), Alberto Nepomuceno (1864-1920) und Francisco Braga (1868-1945) standen noch stark unter dem Einfluss der europäischen Musik, selbst wenn sich in wachsendem Masse auch brasilianische Elemente in ihren Werken finden.
Trotz vieler bedeutender Komponisten und deren reichhaltigem Schaffen erschwerten wirtschaftliche Probleme zu Beginn des 20.Jh. den Aufbau eines noch regeren Musiklebens. Dennoch schlug sich das wachsende Nationalbewusstsein bei aller stilistischen Vielfalt mehr und mehr auch in den Werken der Komponisten nieder.
Heitor Villa Lobos´(1887-1959) Werke zeigen neben Stilmerkmalen der Romantik, des Impressionismus und des Neobarock auch Elemente brasilianischer Volksmusik. Er war ein glänzender Autodidakt, lehnte in seiner zu Widerspruch neigenden rebellischen Geisteshaltung viele äussere Einflüsse ab und entwickelte seinen eigenen, ganz persönlich geprägten Stil. In seinen "Choros", "Bachianas", Konzerten und Symphonien folgt er bewusst keinem traditionellen Formenkanon, sondern einem freien musikalischen Fluss. Seine Hommage an Bach, die neun Bachianas, sind weltbekannt geworden und kommen in unterschiedlichen Besetzungen zur Aufführung. Seine Kammermusik, insbesondere seine Klavierstücke und seine Werke für Sologitarre, gehören zu den reichsten ihrer Art, auch wenn sie bedauerlicherweise bis heute weder in Brasilien noch im Ausland die ihnen gebührende Beachtung gefunden haben.
Camargo Guarnieri (1907-1993) hat ein umfangreiches, mehr als 600 Kompositionen umfassendes Werk hinterlassen. Seine Musik zeugt von Einfallsreichtum und einer hervorragenden Beherrschung musikalischer Formen. Sein symphonisches Werk (7 Symphonien, Solokonzerte, Ouvertüren u.a.m.) zeigt eine beeindruckende orchestrale Farbigkeit und packende Rhythmik. Ein gleichermassen bemerkenswerter Komponist war Claudio Santoro (1919-1989), der über längere Zeit an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim Komposition gelehrt hat. Sein Werk trägt unterschiedlichen Stilrichtungen Rechnung (Zwölftonmusik, serielle Musik, Einflüsse der brasilianischen Volksmusik). Er schrieb 14 Symphonien, Ballette, drei Klavierkonzerte, Kammermusik, darunter 7 Streichquartette.
Unter den prominenten Komponisten des 20.Jh., besonders im Bereich der Orchestermusik, befinden sich auch Francisco Mignone (1897-1986), Lorenzo Fernandez (1897-1948), Guerra Peixe (1914-1993), José Siqueira (1907-1985), Radamés Gnattali (1906-1988), Lindembergue Cardoso (1939-1989) und Ernst Widmer (1927-1990). Daneben gibt es eine Reihe vielversprechender zeitgenössiger Komponisten: Edino Krieger, Marlos Nobre, Mário Ficarelli, Ricardo Tacuchian, Paulo Costa Lima, Ronaldo Miranda, Ernani Aguiar u.a.
Trotz vieler Schwierigkeiten, die es noch immer zu überwinden gilt, bemühen sich brasilianische Orchester und Solisten, die Kunstmusik ihres Heimatlandes im In- und Ausland bekanntzumachen. Solisten wie der Pianist Nelsen Freire und der Cellist Antônio Meneses sind bereits seit langem berühmt, und auch das Symphonie-Orchester des Staates São Paulo geniesst bereits hohe Anerkennung. Vor kurzem hat es unter dem Label "BIS" die ersten sechs Symphonien von Camargo Guarnieri eingespielt.
Quelle: http://berlim.itamaraty.gov.br/de/
Liste der brasilianischer Komponisten von klassischer Musik
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Antônio José da Silva (1705–1739)
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Luís Álvares Pinto (1719–1789)
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Ignácio Parreiras Neves (1730–1794)
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Manuel Dias de Oliveira (1735–1813)
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Domingos Caldas Barbosa (1740–1800)
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José Joaquim Emerico Lobo de Mesquita (1746–1805)
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André da Silva Gomes (1752–1844)
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Francisco Gomes da Rocha (1754–1808)
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Joaquim de Paula Sousa Bonsucesso (1760–1820)
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Teodoro Ciro de Sousa (1761–?)
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Marcos Coelho Neto (Sohn) (1763–1823)
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Manoel Julião da Silva Ramos (1763–1824)
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José Maurício Nunes Garcia (1767–1830)
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Gabriel Fernandes da Trindade (1790–1854)
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João de Deus de Castro Lobo (1794–1832)
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Francisco Manuel da Silva (1795–1865)
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Cândido Inácio da Silva (1800–1838)
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Domingos Mussurunga (1807–1856)
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Elias Álvares Lôbo (1834–1901)
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Antônio Carlos Gomes (1836–1896)
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Chiquinha Gonzaga (1847–1935)
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Viriato Figueira (1851–1883)
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Henrique Oswald (1852–1931)
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Satyro Bilhar (1860–1926)
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Ernesto Nazareth (1863–1934)
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Alberto Nepomuceno (1864–1920)
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Alexandre Levy (1864–1892)
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Anacleto de Medeiros (1866–1907)
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Francisco Braga (1868–1945)
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Quincas Laranjeiras (1873–1935)
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Patápio Silva (1880–1907)
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Heitor Villa-Lobos (1887–1959)
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Francisco Casabona (1894–1979)
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Newton Pádua (1894–?)
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Pixinguinha (1897–1973)
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Francisco Mignone (1897–1986)
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Oscar Lorenzo Fernandez (1897–1948)
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Luís Americano (1900–1960)
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Guido Santorsola (1904–1994)
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Dinorá de Carvalho (* 1905)
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Radamés Gnattali (1906–1988)
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Baptista Siqueira (1906–1992)
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Mozart Camargo Guarnieri (1907–1993)
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César Guerra Peixe (1914–1993)
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Hans-Joachim Koellreutter (1915–2005)
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Eunice Katunda (1915–1990)
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Garoto (1915–1955)
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Milton Soares Gomes dos Santos (1916–1974)
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Cláudio Santoro (1919–1989)
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Ivani Ribeiro (1922–1995)
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Gilberto Mendes (* 1922)
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Ernst Widmer (1927–1990)
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Osvaldo Lacerda (* 1927)
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Edino Krieger (* 1928)
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Henrique de Curitiba (1934–2008)
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Jocy de Oliveira (* 1936)
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Pery Ribeiro (* 1937)
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Lindembergue Cardoso (1939–1989)
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Marlos Nobre (* 1939)
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Jorge Antunes (* 1942)
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Egberto Gismonti (* 1947)
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Ronaldo Miranda (* 1948)